Die letzten Tage bin ich über das schöne Wort „Zartmut“ gestolpert, ein Fundstück, das sich beim Aufräumen zwischen Gedanken und kleinen Alltagsmomenten eingeschlichen hat.

Grund genug, da mal genauer hinzuschauen:

Für mich ist Zartmut kein Adjektiv für Sonntage, viel mehr ist es Handwerk. Eine Mechanik des Daseins. Wer mit Zartmut arbeitet, kontrolliert nicht, er hört zu. Vertrauen entscheidet.

In Begegnungen heißt das: aushalten, dass jemand anders bleibt. Die Kamera ist kein Werkzeug der Kontrolle, viel mehr sehe ich sie als Gefäß für Resonanz. Zartmut fragt nicht: Wie sehe ich dich am besten? Sie fragt: Wie zeigst du dich, ohne dich zu verlieren?

Bei der Auswahl zeigt sich Zartmut als Verzicht. 

Nicht jedes starke Bild ist ein ehrliches. Manches trifft ins Auge, nichts ins Herz. Zartmut erkennt den Unterschied und löscht mit derselben Sorgfalt, mit der sie auswählt.

In der Nachbearbeitung bedeutet sie Zurückhaltung. Ein feines Justieren, damit Bilder atmen können. Zartmut arbeitet mit dem, was schon da ist – nie dagegen.

Diese Haltung ist nicht weich. Sie ist wach. Eine Form von Mut, die ohne Härte auskommt. Sie weiß, dass Nähe keine Schärfe braucht, Aufmerksamkeit reicht vollkommen.

Zartmut ist eine Praxis des Hinschauens ohne Besitzanspruch. Sie fragt nicht nach Perfektion, sondern nach Aufrichtigkeit. Eine Rebellion gegen das Raue im Alltag.

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